Einführung in therapeutische Maßnahmen in Schule und Zuhause

Inhalt

Früherkennung psychischer Störungen

Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Diese Veröffentlichung gibt ausschließlich die Ansichten des Autors wieder, und die Kommission kann nicht für die Verwendung der darin enthaltenen Informationen verantwortlich gemacht werden.
PROJEKTNUMMER:
Projekt Nr.: 2023-1-DE03-KA220-SCH-000161162


Frühe Anzeichen einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit erkennen

Was ist psychische Gesundheit?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert psychische Gesundheit wie folgt:
„Psychische Gesundheit ist ein Zustand des geistigen Wohlbefindens, der es den Menschen ermöglicht, mit den Belastungen des Lebens umzugehen, ihre Fähigkeiten zu entfalten, gut zu lernen und zu arbeiten und einen Beitrag für ihre Gemeinschaft zu leisten. Sie hat einen intrinsischen und instrumentellen Wert und ist ein integraler Bestandteil unseres allgemeinen Wohlbefindens.“
Zu jedem Zeitpunkt können eine Vielzahl individueller, familiärer, gesellschaftlicher und struktureller Faktoren zusammentreffen, die die psychische Gesundheit entweder schützen oder gefährden. Obwohl die meisten Menschen resilient sind, haben Personen, die widrigen Umständen ausgesetzt sind – wie Armut, Gewalt, Behinderung oder Ungleichheit – ein höheres Risiko, eine psychische Erkrankung zu entwickeln.

Psychische Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Leid, sondern ein Zustand des seelischen Wohlbefindens.


Frühe Anzeichen einer Verschlechterung erkennen

Die Jugendzeit ist eine aufregende Phase voller körperlicher, psychischer und sozialer Veränderungen. Diese Veränderungen eröffnen neue Wege, die Welt zu verstehen, können jedoch auch zu Unsicherheit und Verwirrung führen. Doch sie bietet auch eine einzigartige Chance: Es ist die ideale Zeit, um Fähigkeiten zu entwickeln, die helfen, Lebensherausforderungen zu bewältigen und jeden Tag bewusst zu genießen. Eine der stärksten Fähigkeiten, die man fördern kann, ist die emotionale Intelligenz – also die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu erkennen, zu verstehen und zu steuern sowie sich in andere hineinzuversetzen. Wer diese Fähigkeit stärkt, ist besser gerüstet, mit Schwierigkeiten umzugehen und die positiven Seiten dieser Lebensphase zu nutzen.


Warum ist es so wichtig, über psychische Gesundheit im Jugendalter zu sprechen?

In der Jugend ist es normal, Veränderungen zu erleben – sei es durch das Stadium der Entwicklung selbst oder durch äußere Einflüsse. Manche Verhaltensänderungen können jedoch Anzeichen dafür sein, dass es uns selbst oder jemandem in unserer Nähe nicht gut geht. Diese Warnsignale frühzeitig zu erkennen ist der Schlüssel, um Unterstützung zu suchen und Verbesserungen zu erreichen. Achte auf folgende wichtige Bereiche:


Wie erkennen wir bei uns selbst oder anderen psychische Belastungen?

Stimmung
Stimmungsschwankungen sind in der Jugendzeit natürlich, bedingt durch neue Lebensumfelder und hormonelle Veränderungen. Wenn diese Schwankungen jedoch sehr intensiv oder langanhaltend sind, könnten sie auf ein maladaptives Problem hinweisen, das Aufmerksamkeit erfordert. Nicht jeder emotionale Wechsel ist besorgniserregend, aber wenn eine negative Stimmung anhält oder das Wohlbefinden beeinträchtigt, sollte man über die Ursachen nachdenken und entsprechend handeln.

Eine anhaltend traurige Stimmung oder das Ausbleiben positiver Reaktionen auf normalerweise erfreuliche Ereignisse können Anzeichen eines tieferliegenden Problems sein. Solche Signale früh zu erkennen und die emotionale Selbstregulation zu fördern, hilft nicht nur bei der Bewältigung von Schwierigkeiten, sondern stärkt auch das psychische Wohlbefinden und die Resilienz.

Verhalten
Verhaltensänderungen sind typisch für die Jugend, da diese Phase mit vielen neuen Herausforderungen verbunden ist. Es ist jedoch wichtig zu beurteilen, ob diese Veränderungen abrupt, unangemessen oder problematisch sind und ob der Jugendliche Schwierigkeiten hat, angemessene Bewältigungsstrategien zu finden. Viele Verhaltensänderungen können mit dem Wunsch nach neuen Erfahrungen, neuen Freundschaften oder auch der Angst vor dem Unbekannten zusammenhängen. Daher ist es wichtig, das Umfeld und den Kontext zu betrachten, in dem diese Veränderungen auftreten.

Diese Verhaltensweisen entstehen nicht aus dem Nichts – sie sind häufig Ausdruck eines tieferliegenden Problems. Der Fokus sollte nicht nur auf dem Verhalten selbst liegen, sondern auf dem Verständnis und der Bearbeitung der zugrunde liegenden Ursachen. Die Auseinandersetzung mit diesen Wurzeln ermöglicht es Jugendlichen, gesündere und konstruktivere Reaktionen zu entwickeln.

Denken und Informationsverarbeitung
Unsere psychische Gesundheit ist eng verknüpft mit der Art und Weise, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und interpretieren. Selbst wenn Menschen dieselben Erfahrungen machen, verarbeiten sie Informationen unterschiedlich – das beeinflusst ihre Gefühle, Reaktionen und ihr psychisches Gleichgewicht. Verzerrte Denkmuster können unsere Fähigkeit zur Problemlösung, Entscheidungsfindung und Emotionsregulation erheblich beeinträchtigen. Solche kognitiven Verzerrungen verstärken häufig Stress, Angst und unangemessene Verhaltensweisen. Das Bewusstsein für solche Denkmuster ist der erste Schritt zu einer ausgewogeneren Denkweise.

Einige der häufigsten Denkverzerrungen sind:
Übergeneralisierung: Aus einem Einzelfall eine allgemeingültige Schlussfolgerung ableiten.
Schwarz-Weiß-Denken: Dinge nur in Extremen sehen, was zu impulsiven und unklugen Entscheidungen führt.
Personalisierung: Verantwortung für Dinge übernehmen, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegen.
Katastrophisieren: Tendenz, das schlimmstmögliche Szenario zu erwarten, auch wenn es unrealistisch ist.
Negativfilter: Fokus auf das Negative, während das Positive ignoriert wird.
Gedankenlesen: Annehmen, man wisse, was andere denken oder fühlen, ohne Beweise dafür zu haben.

Soziale Beziehungen
Soziale Beziehungen im Jugendalter sind ein zentraler Indikator für seelisches Wohlbefinden. Sie spiegeln emotionale Stabilität, Selbstwertgefühl und psychische Gesundheit wider. Ein plötzlicher Rückzug aus dem Familien- oder Freundeskreis oder aus sozialen Aktivitäten ohne ersichtlichen Grund kann auf inneren Stress, emotionale Belastungen oder soziale Isolation hindeuten.

Mobbing – sowohl als Opfer als auch als Täter – hat einen tiefgreifenden Einfluss auf das Selbstwertgefühl und die emotionale Gesundheit. Opfer leiden häufig unter Ängsten, geringem Selbstwert und sozialem Rückzug, während auch Täter emotionale Probleme haben können, die Intervention erfordern.

Soziale Medien wie Facebook, Instagram oder TikTok prägen die sozialen Interaktionen von Jugendlichen zusätzlich. Zwar fördern sie die Verbindung zu anderen, doch exzessive Nutzung oder starke Abhängigkeit von digitaler Anerkennung können Ängste, ungesunde Vergleiche und emotionale Abhängigkeiten begünstigen. Der ständige Kontakt mit idealisierten Online-Identitäten kann das Selbstbild verzerren und Unsicherheiten verstärken.

Auch das Bedürfnis nach Akzeptanz innerhalb der Peer-Gruppe kann Jugendliche zu riskantem Verhalten verleiten oder dazu führen, persönliche Werte aufzugeben, um dazuzugehören. Diese sozialen Einflüsse erhöhen den emotionalen Druck und können das Urteilsvermögen beeinträchtigen. Solche Verhaltensänderungen zu erkennen, deren Ursachen zu verstehen und passende Unterstützung zu bieten, ist entscheidend für den Aufbau emotionaler Resilienz und psychischer Stabilität.

Substanzkonsum

Der Konsum von Substanzen kann sowohl Ursache als auch Folge bestimmter psychischer Probleme sein. Die Jugendzeit bringt eine Neubewertung des „sozialen Selbst“ mit sich. Probleme mit dem Selbstwertgefühl und sozialer Druck können Jugendliche dazu verleiten, neue intensive Erfahrungen zu suchen und sich Gefahren auszusetzen – oft, um Reife vorzutäuschen oder stereotype Erwachsenenverhaltensweisen nachzuahmen. Deshalb ist es wichtig, ihnen alternative Freizeitaktivitäten zu zeigen, die sie begeistern und ihnen eine gesunde Entwicklung ermöglichen.

Drogen können die Gesundheit bereits ab den ersten Konsumphasen beeinträchtigen, ohne dass es zu dauerhaftem oder starkem Gebrauch kommen muss. Besonders in der Jugendzeit ist diese Auswirkung gravierend, da sich das Gehirn in einer entscheidenden Entwicklungs- und Reifungsphase befindet.

Sowohl legale Drogen (Alkohol und Tabak) als auch illegale Drogen (wie Marihuana, Kokain oder Ecstasy) sind in jugendlichen Freizeitmilieus präsent. Alle diese Substanzen können erhebliche Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit haben, insbesondere auf Lernfähigkeit, Gedächtnis und emotionale Kontrolle.


Weitere Verhaltensweisen

Die deutlichste Ausdrucksform eines seelischen Ungleichgewichts bei Jugendlichen ist die direkte Äußerung von Unwohlsein, wie etwa negative Kommentare über das eigene Leben (z. B. „Ich wünschte, ich wäre nie geboren“ oder „Für mich gibt es keine Lösung“). Es gibt jedoch auch subtilere Hinweise auf emotionale Probleme – angefangen bei der Vernachlässigung des äußeren Erscheinungsbildes und der Hygiene bis hin zu besorgniserregenden Verhaltensweisen wie Selbstverletzung.

Selbstverletzendes Verhalten äußert sich auf unterschiedliche Weise, z. B. durch Schlagen harter Oberflächen (Wände, Möbel) mit der Faust oder dem Kopf oder durch den Einsatz fester Gegenstände. Häufig greifen Jugendliche zu Schnitten an gut zugänglichen Stellen mit der dominanten Hand. In manchen Fällen treten runde Male auf der Haut auf, die darauf hinweisen, dass eine Zigarette ausgedrückt wurde. Weitere selbstschädigende Handlungen, die zwar weniger gefährlich, aber dennoch besorgniserregend sind, beinhalten zwanghaftes Kratzen bis zur Hautverletzung oder den Verlust von Haarsträhnen durch wiederholtes Ziehen. Diese Anzeichen – so unterschiedlich sie auch sein mögen – erfordern Aufmerksamkeit und angemessene Unterstützung.


Mythen über psychische Gesundheit

Es gibt zahlreiche Mythen und Missverständnisse rund um das Thema psychische Gesundheit, die es zu entkräften gilt, um ein besseres Verständnis für diese Realität zu schaffen.

Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen gewalttätig oder gefährlich seien. Tatsächlich zeigen Studien, dass sie nicht gewalttätiger sind als die Allgemeinbevölkerung – im Gegenteil: Sie sind oft verletzlicher und stärker gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden.

Ein weiterer verbreiteter Mythos lautet, dass psychisch erkrankte Menschen nicht gesellschaftsfähig seien. In Wahrheit können sie gut in die Gemeinschaft integriert leben und wertvolle Beiträge leisten – abhängig von ihren individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Viele psychische Erkrankungen sind zudem nicht dauerhaft und können sich im Laufe der Zeit verbessern.

Auch die Vorstellung, dass psychische Störungen unheilbar seien, ist falsch. Dieser Glaube entspringt einer vereinfachenden Sichtweise, in der Betroffene als „verrückt“ abgestempelt werden, ohne die Komplexität der psychischen Gesundheit zu berücksichtigen. Die meisten psychischen Störungen sind durch geeignete Behandlung veränderbar oder anpassungsfähig, da sie stark vom Kontext abhängen.

Ein weiteres Missverständnis ist die Annahme: „Mir kann so etwas nicht passieren.“ Doch die Realität ist, dass jeder – unabhängig von Lebensstil oder Persönlichkeit – aufgrund biologischer oder kontextueller Faktoren eine psychische Störung entwickeln kann. Statistiken zeigen, dass eine von vier Personen im Laufe ihres Lebens eine Form psychischer Erkrankung erleben wird. Glücklicherweise gibt es wirksame Präventionsmaßnahmen und Möglichkeiten, Risikofaktoren zu reduzieren.

Beim Thema Suizid muss der Mythos entkräftet werden, dass „Menschen, die über Suizid sprechen, es nicht tun“ – oder umgekehrt. Die meisten suizidgefährdeten Personen kündigen ihre Absichten vorher an – direkt oder indirekt – gegenüber ihrem sozialen Umfeld. Auch wenn solche Aussagen manchmal instrumentelle Funktionen haben, bedeutet das nicht, dass die betroffene Person keinen ernsten psychischen Schmerz erlebt, der Aufmerksamkeit und Unterstützung erfordert.

Ein weiterer gefährlicher Mythos ist, dass Suizid völlig unvorhersehbar und nicht kontrollierbar sei. Zwar ist Suizidalität ein komplexes Phänomen mit vielen Ursachen, doch das Umfeld kann oft unterstützend eingreifen – sei es durch aktives Zuhören oder die Vermittlung an Fachkräfte. Das Tabu, über Suizid zu sprechen, erschwert jedoch das Verständnis des Problems und verschärft das Leiden der Betroffenen, da es die Möglichkeiten einschränkt, ihre Not zu lindern.

Schauen wir uns ein Beispiel an

Mit 16 Jahren bemerkten Adriáns Eltern Veränderungen in seinem Verhalten. Früher war er ein begeisterter und geselliger Junge, doch plötzlich zog er sich immer häufiger von seiner Familie und seinen Freunden zurück. Er verbrachte viel Zeit allein in seinem Zimmer, mied Gespräche und verlor das Interesse an Aktivitäten, die ihm zuvor Spaß gemacht hatten – etwa Fußballspielen oder Videospiele.

Auch seine Stimmung veränderte sich: Er wurde sehr selbstkritisch und äußerte oft Sätze wie „Ich bin zu nichts zu gebrauchen“ oder „Niemand interessiert sich für mich“. Schon kleine Rückschläge überforderten ihn, und neutrale Situationen interpretierte er als persönliches Versagen. Seine Schlaf- und Essgewohnheiten wurden unregelmäßig, und er hörte auf, sich mit Freunden zu verabreden.

Der wirkliche Alarm kam, als seine Mutter einen Zettel mit Sätzen wie „Nichts wird je besser“ und „Ich wünschte, ich könnte verschwinden“ fand. Sie erkannte, dass es sich um mehr als bloße Traurigkeit handelte, und ging behutsam auf ihn zu, ermutigte ihn zum Gespräch und zur Inanspruchnahme professioneller Hilfe.


Jetzt bist du dran! Wie viele Symptome kannst du erkennen? Welche Arten von Denkverzerrungen fallen dir auf? Wer außer der Familie könnte diese Symptome ebenfalls erkennen?


Effektive Kommunikation bei psychischen Belastungen

Wenn jemand unter psychischen Belastungen leidet, kann ein einfühlsames Gespräch der erste entscheidende Schritt zur Besserung sein. Bereits das bloße Zuhören ohne Urteil und die echte, aufrichtige Präsenz vermitteln eine kraftvolle Botschaft: Niemand ist mit seinem Leid allein.

Ein solches erstes Gespräch kann nicht nur die unmittelbare emotionale Last lindern, sondern auch dazu ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hier findest du einige Empfehlungen für Gespräche zwischen Erwachsenen und Minderjährigen:


Die Bedeutung des Zuhörens

Aufmerksamkeit zeigen: Positiv auf Versuche zur emotionalen Verbindung reagieren, Verfügbarkeit und Interesse signalisieren, aktiv zuhören.
Zuneigung und Respekt zeigen: Positive Emotionen gegenüber dem Kind durch Komplimente, Lob und freundliche Bemerkungen ausdrücken; gemeinsame Rituale mit symbolischer und emotionaler Bedeutung pflegen.
Gemeinsames Verständnis aufbauen: Vertrauen und Stabilität in der Beziehung durch Einfühlungsvermögen und gegenseitiges Verstehen stärken.
Dem Kind helfen, eigene Ziele zu erreichen: Die Träume des Kindes kennen und respektieren; seine Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit fördern.
Ideen und Einfluss akzeptieren: Die Meinungen und Vorschläge des Kindes anhören und ernst nehmen, auch wenn man anderer Meinung ist; offen für Überzeugung sein, ohne alles zu akzeptieren.
Gegenseitige Akzeptanz: Das Kind so annehmen, wie es ist – nicht wie man es sich wünscht.


Schlüsselpunkte im Gespräch mit Jugendlichen

Kompromissbereitschaft: Flexibel bei Entscheidungen sein; Einigungen finden, die beide Seiten zufriedenstellen.
Konstruktiver Widerspruch: Beschwerden oder Meinungsverschiedenheiten auf respektvolle und durchsetzungsfähige Weise äußern, ohne zu kritisieren oder abzuwerten.
Kommunikation reparieren: In Auseinandersetzungen die eigenen Emotionen regulieren; das Gespräch unterbrechen, wenn man die Kontrolle zu verlieren droht, und später in Ruhe fortsetzen.
Über schwierige Themen sprechen: Offen sein für Gespräche über Sexualität, Alkohol und Drogen, psychische Gesundheit, Scheidung, Tod usw.


Schwierige Kommunikationsmuster und wie man sie vermeidet

Im Umgang mit emotional belasteten Personen nehmen wir oft – wenn auch unbewusst – Haltungen ein, die kontraproduktiv sind. Die Tendenz, Probleme zu verharmlosen, vorschnelle Lösungen anzubieten oder die Situation zu bewerten, kann dazu führen, dass sich die betroffene Person missverstanden fühlt und sich verschließt. Daher ist es wichtig, effektivere Kommunikationsweisen zu entwickeln, die emotionale Begleitung erleichtern.

Hier sind häufige impulsive Reaktionen – und gesündere Alternativen dazu:

Überkritisch sein → keine persönlichen Angriffe oder Etikettierungen; Kritik gezielt auf konkrete Handlungen oder Situationen richten.
„Gegen eine Wand reden“ → geistig anwesend sein und aktives Zuhören einsetzen.
Ständige Unterbrechungen → das Kind ausreden lassen; keine vorschnellen Ratschläge oder Lösungen anbieten.
Starre Haltung → mit dem Jugendlichen argumentieren und verhandeln; ihm/ihr Entscheidungsfreiheit lassen.
Defensiv reagieren → keine Gegenargumente à la „mir geht's noch schlechter“; nicht auf verletzende Kommentare mit Angriffen antworten.
Abwertende Bemerkungen → keine Beleidigungen oder Demütigungen, auch nicht im Ärger; auf nonverbale Kommunikation achten.
Schweigen → wichtige Themen offen ansprechen; auf Sorgen des Kindes eingehen und verlässliche Informationen anbieten.
Probleme leugnen → das Unwohlsein des Kindes nicht herunterspielen; aufmerksam begleiten; professionelle Hilfe suchen, wenn keine Besserung eintritt.


Merke! Ziel ist nicht, unsere eigenen Gefühle auszudrücken, sondern den Kontext des Jugendlichen zu verstehen und sein Verhalten positiv zu beeinflussen. Er oder sie sollte uns als Verbündete wahrnehmen und den Wandel als etwas Gutes erkennen.

Einbindung der Familie

Um die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern zu stärken, sollte die Beziehung zwischen Eltern und Lehrkräften auf einem tiefen Verständnis der Stärken jeder Familie beruhen. Jede Familie bringt eigene Ressourcen, Erfahrungen und Fähigkeiten mit, die zum Wohlbefinden der Kinder beitragen können. Daher ist es unerlässlich, dass Lehrkräfte diese Aspekte erkennen und wertschätzen. Auf dieser Grundlage lassen sich Strategien zur Familienbeteiligung entwickeln, die nicht nur auf die spezifischen Bedürfnisse der Familien eingehen, sondern auch deren Kompetenzen fördern. Dies bedeutet, offene und flexible Kommunikationsräume zu schaffen, den Austausch an die jeweilige Familiensituation anzupassen und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zu bieten, damit Eltern sich mit ihren Stärken aktiv in die Bildung ihrer Kinder einbringen können.

Sowohl Eltern als auch Schulen spielen eine zentrale Rolle in der Prävention psychischer Probleme, indem sie gesunde Gewohnheiten und unterstützende Umgebungen fördern. Wichtige Handlungsfelder sind u. a. ein gesunder Schlaf, eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und die Förderung gesunder sozialer Beziehungen. Klare Schlafenszeiten, die Begrenzung der Bildschirmzeit vor dem Zubettgehen und nährstoffreiche Mahlzeiten haben nachweislich positiven Einfluss auf das emotionale und kognitive Wohlbefinden. Ebenso sollte körperliche Aktivität Teil des Alltags sein – sei es durch Sport, aktives Spielen oder den Schulweg zu Fuß. Über die körperliche Gesundheit hinaus stärkt die Förderung sozialer Kompetenzen wie respektvolle Kommunikation und Konfliktlösung das Gemeinschaftsgefühl und vermittelt Jugendlichen Wertschätzung und soziale Sicherheit.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Prävention ist die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen wie Empathie, Selbstregulation und Resilienz. Schulen und Familien können Empathie unterstützen, indem sie Kinder dazu ermutigen, die Gefühle anderer zu erkennen und wertzuschätzen – z. B. durch Rollenspiele oder Perspektivwechsel in Geschichten. Selbstregulation lässt sich durch Achtsamkeitstechniken wie bewusstes Atmen oder kurze Pausen vor emotionalen Reaktionen trainieren. Resilienz wiederum kann gestärkt werden, indem man Misserfolge als Lernchancen begreift und Kinder ermutigt, Herausforderungen aktiv anzugehen. Kinder, die diese Kompetenzen entwickeln, sind besser in der Lage, mit Stress umzugehen, gesunde Beziehungen zu führen und sich an schwierige Situationen anzupassen.

Ebenso wichtig ist es, dass Erwachsene selbst einen gesunden Lebensstil führen – sowohl körperlich als auch seelisch. So verfügen sie über die nötige psychische Stabilität, um Kinder emotional zu begleiten und als Vorbild zu dienen. Kinder lernen durch Beobachtung: Wenn sie sehen, dass Erwachsene mit Stress konstruktiv umgehen, gesunde Routinen pflegen und positive Beziehungen aufbauen, übernehmen sie diese Verhaltensweisen eher selbst. Deshalb sollten Erziehende auf sich achten, Aktivitäten zum Wohlbefinden pflegen, bei Bedarf emotionale Unterstützung suchen und eine gesunde Work-Life-Balance anstreben. Auf diese Weise fördern sie nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern schaffen auch ein stabiles und unterstützendes Umfeld, in dem Kinder wachsen und gedeihen können.


Hilfe suchen

Die ersten, die mögliche psychische Probleme bei Jugendlichen bemerken, sind häufig Personen aus ihrem nahen Umfeld – Eltern, Lehrkräfte oder Freunde. Dennoch verfügen diese oft nicht über ausreichende Informationen oder Sicherheit darüber, was genau im Inneren des Jugendlichen vorgeht. Daher ist die Kommunikation zwischen sozialem Umfeld, Schule und Familie von zentraler Bedeutung. Je nach Problem kann Unterstützung im sozialen Umfeld ausreichen – in anderen Fällen ist professionelle Hilfe unerlässlich.


Wann ist professionelle Hilfe nötig?

Die Unterscheidung zwischen einem psychischen Problem und einer psychischen Störung ist entscheidend. Ein psychisches Problem bezeichnet vorübergehende psychische Belastungen aufgrund von Stress oder Lebenssituationen – etwa Prüfungsangst oder Trauer nach einer Trennung. Solche Schwierigkeiten können mit der Zeit oder durch Unterstützung überwunden werden. Eine psychische Störung hingegen ist eine klinisch diagnostizierte Erkrankung, die langfristig das emotionale Erleben, Verhalten und den Alltag beeinträchtigt – wie z. B. Depression oder Angststörung.

Auch wenn leichte Probleme nicht zwangsläufig eine Therapie erfordern, kann psychologische Unterstützung in jedem Fall hilfreich sein. Dennoch fällt es vielen schwer, die Schwere der Situation richtig einzuschätzen oder wissen nicht genau, was eine Therapie bedeutet. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass notwendige Hilfe zu spät in Anspruch genommen wird. Zu wissen, wann professionelle Unterstützung ratsam ist, ist entscheidend für das Wohlbefinden und hilft, eine Verschlechterung zu verhindern.

Folgende Hinweise können bei der Entscheidung helfen:

Wenn persönliche Bewältigungsstrategien nicht ausreichen: Wenn das Problem trotz Unterstützung aus dem Umfeld und eigener Anstrengung bestehen bleibt, sollte man sich an Fachleute wenden. Besonders dann, wenn das Verhalten des Jugendlichen Anlass zur Sorge gibt, obwohl Eltern, Lehrkräfte oder Freunde schon Maßnahmen ergriffen haben, kann ein Psychologe oder eine Psychologin gezielt helfen.

Im Zweifel: lieber zu früh als zu spät: Auch wenn man sich nicht sicher ist, ob professionelle Hilfe nötig ist, empfiehlt es sich, eine Fachperson zu konsultieren. Ein vorsorgliches Gespräch mit einer Psychologin oder einem Psychologen kann wertvolle Erkenntnisse bringen und einer Verschlimmerung vorbeugen. Im Gegensatz dazu kann das Aufschieben einer dringend notwendigen Intervention zu größeren emotionalen und Verhaltensproblemen führen. Wer rechtzeitig Hilfe sucht, erhöht die Chancen auf wirksame Unterstützung.

Die Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus ist ein Grundpfeiler für die emotionale und schulische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Doch nicht jeder Austausch führt zum gewünschten positiven Ergebnis. Um die Zusammenarbeit mit Familien zu stärken, sollten pädagogische Fachkräfte klare, einfühlsame und durchsetzungsfähige Kommunikationsstrategien einsetzen. Wann immer möglich, sollte dieser Dialog von einer Schulpsychologin oder einem Schulpsychologen begleitet werden, um eine sensible und wirksame Kommunikation sicherzustellen. Im Folgenden finden sich zentrale Punkte für ein gutes Gespräch mit Eltern und Erziehungsberechtigten.

Wie spricht man mit Familien?

Was MAN TUN SOLLTE:

  • Eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen

  • Die Regeln zur Vertraulichkeit erklären

  • Sich auf Augenhöhe mit dem Gesprächspartner setzen; bei jüngeren Kindern ist es besonders wichtig, sich körperlich auf deren Höhe zu begeben

  • Offene Fragen stellen

  • Das Tempo des Gesprächspartners respektieren

  • Aktive Zuhörtechniken anwenden (PACERS: Play – Acceptance – Curiosity – Empathy – Reflective listening – Silence)

  • Kindern Spielzeug oder Gegenstände zur Verfügung stellen, um ihnen Sicherheit zu geben

  • Bildmaterial oder Beispiele verwenden, um Fragen zu verdeutlichen

  • Abwehrmechanismen des Gesprächspartners respektieren (z. B. Schweigen oder Aussagen wie „Ich möchte dazu nichts sagen“)

Was MAN VERMEIDEN SOLLTE:

  • Keine Fragen stellen, deren Antworten man bereits kennt

  • Wenig Verwendung von Fragen, die mit „Was“, „Warum“ oder „Wann“ beginnen

  • Nicht erwarten, dass Kinder unter 6 Jahren zeitliche Abläufe verstehen

  • Keine psychologische Fachsprache verwenden

  • Keine Ja-/Nein-Fragen stellen

  • Keine wertenden Bemerkungen über die Antworten machen

  • Keine „Warum“-Fragen zur Ergründung von Motiven verwenden

  • Fragen nicht wiederholen, wenn der Gesprächspartner schweigt

  • Keine konfrontativen Aussagen machen


Vertraulichkeit und Sensibilität

Vertraulichkeit ist im schulischen und psychischen Kontext ein zentrales Element, das das Vertrauen zwischen Schüler:innen, Familien und Fachkräften sichert. Sie bedeutet, dass sensible Informationen, die ein Kind oder Jugendlicher mitteilt, vertraulich behandelt werden. Dies schafft einen geschützten Raum, in dem junge Menschen ihre Sorgen äußern und Hilfe suchen können, ohne Angst haben zu müssen, dass ihre Aussagen ohne Zustimmung weitergegeben werden. Gerade bei Jugendlichen, die sich in einer Phase wachsender Autonomie befinden, ist dieser Schutz besonders bedeutsam.

Zweifel hinsichtlich der Wahrung von Vertraulichkeit können dazu führen, dass Jugendliche zögern, Hilfe zu suchen. Sie öffnen sich eher, wenn sie darauf vertrauen können, dass ihre Aussagen diskret behandelt werden. Gleichzeitig erleben viele junge Menschen Angst oder Unsicherheit darüber, welche Informationen an Eltern oder Lehrkräfte weitergegeben werden – das kann dazu führen, dass sie Probleme verheimlichen oder professionelle Unterstützung meiden, obwohl sie sie benötigen.

Eine offene und klare Kommunikation über die Grenzen der Vertraulichkeit ist deshalb unerlässlich. Jugendliche sollten von Anfang an verstehen, welche Informationen vertraulich bleiben und in welchen Fällen – etwa bei Gefährdung – Fachkräfte verpflichtet sind, diese weiterzugeben. Diese Transparenz fördert das Vertrauen und ermöglicht es den Jugendlichen, informierte Entscheidungen über das, was sie mitteilen, zu treffen.

Die Wahrung der Vertraulichkeit erfordert eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem Informationsbedarf der Eltern. Das pädagogische Personal sollte klare Protokolle dafür haben, welche Informationen zwingend weitergegeben werden müssen – und wie dies geschieht, ohne das Vertrauen des Kindes zu verletzen. Wichtig ist auch, dass die Fähigkeit, über die eigene Privatsphäre zu entscheiden, nicht ausschließlich vom Alter abhängt, sondern auch von der Reife und den individuellen Erfahrungen der Jugendlichen.

Verletzungen der Vertraulichkeit können das Vertrauensverhältnis zwischen Schüler:in und Fachkraft erheblich beeinträchtigen. Wenn Jugendliche erfahren, dass ihre Informationen ohne ihr Wissen oder Einverständnis weitergegeben wurden, neigen sie dazu, sich zurückzuziehen oder nur noch selektiv zu berichten. Deshalb sollte jede Weitergabe sensibler Informationen im Vorfeld mit dem Jugendlichen besprochen und begründet werden – idealerweise gemeinsam geplant. Auf diese Weise bleibt die unterstützende Beziehung intakt, während gleichzeitig Sicherheit und Schutz gewährleistet sind.

Maßnahmen und Überweisungen

Die Identifikation von Jugendlichen, die möglicherweise unter psychischen Problemen leiden, ist entscheidend für eine frühzeitige Intervention und die Prävention langfristiger Folgen. Psychische Erkrankungen sind komplex und multifaktoriell – sie werden durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die in zwei Hauptkategorien eingeteilt werden können: Risikofaktoren, die die Anfälligkeit für psychische Störungen erhöhen, und Schutzfaktoren, die Resilienz fördern und das Wohlbefinden stärken. Für einen ganzheitlichen und effektiven Umgang mit psychischer Gesundheit ist es unerlässlich, Risikofaktoren zu erkennen und zu mindern, während gleichzeitig Schutzfaktoren aktiv gestärkt werden. Viele dieser Faktoren sind bei verschiedenen psychischen Störungen ähnlich – das unterstreicht die Notwendigkeit einer integrativen Sichtweise.

Risiko- und Schutzfaktoren

Auch wenn einige Risikofaktoren und Schutzfaktoren außerhalb unserer Kontrolle liegen – wie etwa genetische Veranlagung –, ist es dennoch wichtig, ihre Existenz zu erkennen und das Verhalten des Jugendlichen genau zu beobachten. Gleichzeitig können wir gezielt jene Aspekte stärken, die in unserem Einflussbereich liegen. So lässt sich zwar eine genetische Anfälligkeit nicht ändern, aber körperliche Aktivität fördern – ein zentraler Schutzfaktor für die psychische und physische Gesundheit. Wer diese Einflüsse versteht, kann Jugendliche besser in ihrer Resilienz unterstützen und sie in schwierigen Lebensphasen begleiten.

Risikofaktoren:
● Geringes Selbstwertgefühl
● Angststörungen
● Schlechte soziale Fähigkeiten (z. B. Schüchternheit)
● Starkes Bedürfnis nach Anerkennung
● Emotionale Probleme in der Kindheit
● Positive Einstellung zu Drogen
● Unzureichende elterliche Fürsorge
● Ehe- und Familienkonflikte
● Eltern mit psychischen Erkrankungen
● Ablehnung durch Gleichaltrige, Einsamkeit
● Geringes schulisches Engagement
● Gewalt in Schule, Familie oder Gemeinde
● Traumatische Erlebnisse
● Übermäßig permissive oder autoritäre Erziehung

Schutzfaktoren:
● Positive körperliche Entwicklung
● Schulische Entwicklung und Lernerfolg
● Hohes Selbstwertgefühl
● Emotionale Selbstregulation
● Gute Bewältigungsstrategien
● Familiäre Struktur und Stabilität
● Unterstützende Beziehungen innerhalb der Familie
● Klare Erwartungen an Verhalten und Werte
● Vorhandensein von Mentor:innen oder Vorbildern
● Unterstützung bei der Entwicklung von Fähigkeiten und Interessen
● Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme in Schule und Gemeinde


Präventionsebenen

Lehrkräfte müssen keine Diagnose stellen – und sollten dies auch nicht versuchen. Eine Fehldiagnose kann zu Stigmatisierung führen, das Kind und seine Familie entfremden und erfordert darüber hinaus eine spezielle Ausbildung. Stattdessen ist es wichtig, dass Lehrkräfte wissen, wie sie die psychische Gesundheit aller Schüler:innen im Klassenzimmer unterstützen können – auch die von Kindern mit psychischen Auffälligkeiten. Zudem sollten sie einschätzen können, wann eine Belastung so schwerwiegend ist, dass zusätzliche Unterstützung durch Familie oder Fachpersonal notwendig wird.


Strategien zur Verhaltenssteuerung im schulischen Kontext

Disziplin ist ein wichtiger Bestandteil des Schulalltags – sie sorgt für Struktur und gegenseitigen Respekt. Es gibt viele Methoden, um Verhalten zu lenken, aber entscheidend ist, dass diese Methoden die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen unterstützen. Negative Disziplinarmaßnahmen wie körperliche Bestrafung, harsche Kritik oder Drohungen sollten niemals angewendet werden, da sie Aggression verstärken, das Selbstwertgefühl senken und das emotionale Wohlbefinden beeinträchtigen können.

Stattdessen sind positive Disziplinarmaßnahmen deutlich wirksamer: Klare Regeln, das Bestärken von erwünschtem Verhalten und faire Konsequenzen helfen Kindern, Selbstregulation zu entwickeln und Rücksicht auf andere zu nehmen. Ein unterstützender Umgang verbessert nicht nur das Verhalten, sondern fördert ein sicheres, motivierendes Lernumfeld, das die schulische und persönliche Entwicklung gleichermaßen stärkt.


Tipps zum Umgang mit störendem Verhalten

● Prävention ist der wirksamste Ansatz: Eine strukturierte Klassenroutine reduziert Gelegenheiten zu Fehlverhalten.
● Klare, angemessene und konsequente Regeln sind essenziell – wechselhafte Regeln führen zu Frustration.
● Kleinere Regelverstöße können ignoriert werden – aber nur, wenn sie niemandem schaden. Anfänglich kann sich das Verhalten verstärken, bevor es nachlässt.
● Umleiten und Ablenken ist hilfreich – z. B. durch gezielte Fragen oder aktive Einbindung ins Unterrichtsgeschehen.
● Natürliche Konsequenzen erleben lassen, wenn dies sicher ist – z. B. das soziale Ergebnis unfreundlichen Verhaltens reflektieren.
● Entscheidungsfähigkeit fördern – durch einfache Wahlmöglichkeiten und gemeinsame Reflexion über Konsequenzen.
● Alternativen zum störenden Verhalten anbieten – etwa kurze Pausen, Hilfstätigkeiten oder produktive Aufgaben.
● Wartestrategien gemeinsam erarbeiten – etwa bis zehn zählen, Hand heben, Blickkontakt aufnehmen.
● Konstruktive Verhaltensweisen lehren – z. B. Teilen, Verhandeln, Zusammenarbeit.
● Strukturierte Übergänge erleichtern – durch regelmäßige Zeitansagen vor dem Wechsel.
● Gezieltes Lob einsetzen – besonders bei erfolgreicher Emotionsregulation oder angemessenem Verhalten.
● Anweisungsresistenz durch Wahlmöglichkeiten begegnen – z. B. „Wenn du es jetzt nicht machst, musst du es später nachholen.“
● Von Beginn an klare Grenzen für aggressives Verhalten setzen – mit konkreten Beispielen und klaren Regeln.
● Wutbewältigung vermitteln – Ursachen und Auslöser verstehen, Gefühle verbal statt körperlich ausdrücken.
● Bei Frust: Emotionen validieren und gemeinsam Alternativen entwickeln – z. B. eine andere Herangehensweise an ein Problem anbieten.
● Time-Outs einsetzen – altersgerecht, z. B. eine Minute pro Lebensjahr.
● Eltern positives Verhalten mitteilen – Korrekturen ruhig und ohne Wut kommunizieren.
● Gemeinschaftsgefühl stärken – mit Formulierungen wie „wir brauchen...“ oder „wir schaffen das gemeinsam“.


Wann sollte an Fachkräfte überwiesen werden?

● Wenn sich Symptome verschlimmern statt bessern
● Wenn das Verhalten den Alltag in Schule oder Familie deutlich beeinträchtigt
● Wenn Symptome stark ausgeprägt oder belastend sind
● Wenn Selbst- oder Fremdgefährdung besteht
● Wenn schulische Maßnahmen allein nicht ausreichen

Im Zweifelsfall gilt: Lieber frühzeitig eine professionelle Einschätzung einholen!

Kognitive Verhaltenstherapie (CBT)

Wenn ein:e Jugendliche:r psychologische Hilfe in Anspruch nimmt, wird häufig die Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) angewendet. Dieser evidenzbasierte Ansatz ist wissenschaftlich am besten belegt und eignet sich zur Behandlung zahlreicher psychischer Probleme – darunter Angststörungen, Depression, Zwangsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten.

Die CBT vereint Strategien aus der kognitiven und der behavioralen Therapie. Das kognitive Modell konzentriert sich darauf, wie Menschen Informationen aus ihrer Umwelt wahrnehmen und verarbeiten. Jugendliche lernen, schädliche oder irrationale Gedanken zu erkennen und zu hinterfragen. Durch das Umstrukturieren dieser Gedanken entwickeln sie gesündere Sichtweisen und verbessern ihr emotionales Wohlbefinden.

Das behaviorale Modell zielt darauf ab, problematische Verhaltensweisen durch gezielte Techniken wie Konfrontationstherapie, Verstärkung oder Verhaltensaktivierung zu verändern. Diese Methoden helfen Jugendlichen, ungünstige Gewohnheiten durch hilfreichere Bewältigungsstrategien zu ersetzen.

Die Kombination beider Ansätze ermöglicht es Jugendlichen, ihre Emotionen besser zu steuern, Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln und ihre Resilienz zu stärken. Studien zeigen regelmäßig, dass CBT bei verschiedenen psychischen Störungen äußerst wirksam ist und daher als eine der besten therapeutischen Optionen für Jugendliche gilt, die mit emotionalen oder verhaltensbezogenen Herausforderungen kämpfen.

In bestimmten Fällen kann der/die Psycholog:in empfehlen, zusätzlich eine:n Psychiater:in einzubeziehen – also eine:n Facharzt/Fachärztin für psychische Gesundheit. Psychiater:innen sind die einzigen Fachpersonen, die Medikamente verschreiben dürfen, wobei die medikamentöse Behandlung stets von psychotherapeutischer Begleitung ergänzt werden sollte. Eine enge Kommunikation zwischen Psycholog:in und Psychiater:in stellt sicher, dass die Betreuung ganzheitlich, koordiniert und auf die Bedürfnisse des Jugendlichen abgestimmt ist.

Bei der Suche nach Hilfe kann man auf Personen stoßen, die nicht-wissenschaftliche Methoden oder esoterische Praktiken anbieten. Es ist deshalb wichtig, die Qualifikation des Fachpersonals zu überprüfen – z. B. akademische Abschlüsse und Berufszulassung. Außerdem spielt die Persönlichkeit des Therapeuten/der Therapeutin eine wichtige Rolle für den Therapieerfolg. Wenn sich ein:e Jugendliche:r bei einer Fachperson nicht wohlfühlt, sollte man sich nicht entmutigen lassen – der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung ist entscheidend für den Erfolg der Behandlung.


Ein unterstützendes Umfeld schaffen

Prävention beginnt im schulischen Alltag – durch die Gestaltung der Lernumgebung, die Haltung des Personals, die Organisation der Abläufe und das soziale Klima. All diese Faktoren beeinflussen maßgeblich das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Jugendlichen.

Indem Schulen ein Umfeld schaffen, das Inklusion, emotionales Wohlbefinden und positive Interaktionen in den Mittelpunkt stellt, können sie psychische Probleme bereits im Vorfeld verhindern. Im Folgenden findest du zentrale Empfehlungen, wie Schulen eine unterstützende und psychisch sichere Atmosphäre fördern können.


Eigenschaften guter Lehrkräfte

● Kennt die verschiedenen Entwicklungsstufen Jugendlicher und stellt altersgerechte Anforderungen
● Zeigt Empathie, erkennt Gefühle und spiegelt diese zurück
● Nimmt sowohl verbale als auch nonverbale Kommunikation wahr
● Kommuniziert klar und verständlich
● Vermittelt klare Erwartungen und setzt Grenzen, die Struktur und Sicherheit geben
● Gestaltet den physischen und sozialen Raum so, dass Lernen erleichtert und störendes Verhalten minimiert wird


Für alle sorgen

Ein wertschätzendes, inklusives Umfeld entsteht durch bewusste Maßnahmen: Jede:r Schüler:in sollte sich gesehen und anerkannt fühlen. Das Hervorheben individueller Stärken fördert Selbstwertgefühl und Zugehörigkeit. Ebenso wichtig ist es, für Gerechtigkeit zu sorgen und Ausgrenzung oder Diskriminierung aktiv zu verhindern. Eine Kultur der Achtsamkeit erkennt, dass Kinder mit Schwierigkeiten Unterstützung benötigen – keine Sanktionen. Ebenso braucht es transparente Beschwerdemechanismen, bei denen sich Schüler:innen sicher fühlen können. Wer diese Prinzipien lebt, schafft einen Raum, in dem sich alle geschützt, respektiert und bestärkt fühlen.


Vielfalt wertschätzen

Vielfalt in Ethnie, Religion oder Behinderung bewusst anzuerkennen, bereichert den Schulalltag. Lehrkräfte prägen die Einstellungen gegenüber Kindern mit besonderen Bedürfnissen und helfen dabei, Verständnis und Solidarität zu fördern. Wenn etwa ein Kind einem Klassenkameraden im Rollstuhl hilft, wird Empathie aktiv gelebt.

Praktische Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt können z. B. ein Patensystem sein, das Freundschaften unterstützt. Die Einbindung von Schüler:innen mit Förderbedarf in den Regelunterricht verbessert die sozialen Fähigkeiten aller. Darüber hinaus helfen Projekte, bei denen Kinder stolz auf ihre Herkunft und Kultur sein dürfen, ein Umfeld zu schaffen, in dem Unterschiedlichkeit geschätzt wird.


Selbstwertgefühl stärken

Die Schule hat einen großen Einfluss auf das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen. Negative schulische Erfahrungen – insbesondere ständige Misserfolge – können das Selbstbild stark beeinträchtigen. Umgekehrt fördert es den Selbstwert, wenn Kinder ihre Fehler korrigieren dürfen, Verantwortung übernehmen oder erleben, dass ihnen etwas zugetraut wird.

Wenn Schüler:innen merken, dass ihre Gefühle verstanden werden – etwa: „Ich verstehe, dass du in dem Moment einfach zurückschreien wolltest. Es war beängstigend. Wie ging es dir danach?“ – dann fühlen sie sich ernst genommen und bauen ein positives Selbstbild auf.

Für ältere Schüler:innen:

  • Verantwortung und Führungsrollen übernehmen lassen (z. B. Ausflüge planen oder Aufgaben rotieren)

  • Positives Feedback priorisieren (z. B. 5 Lobäußerungen auf 1 Kritik)

  • Kooperation statt Konkurrenz fördern (Teamgeist und Unterstützung betonen)

  • Ältere Schüler:innen als Mentor:innen für Jüngere einsetzen (z. B. bei Lesen, sozialen Fähigkeiten)

Für jüngere Schüler:innen:

  • Aktivitäten zur Förderung ihrer Stärken gestalten

  • Ein „Ich bin besonders“- oder „Darin bin ich gut“-Buch gemeinsam gestalten

  • Handabdruck-Projekt: Auf jeden Finger kommt eine positive Eigenschaft

  • Mit Puppen oder Rollenspielen Gefühle wie Wut oder Traurigkeit thematisieren

  • Freundschaftsarmbänder basteln – jede Perle steht für eine schöne Eigenschaft


Beziehungen aufbauen

Gute Beziehungen – sowohl zwischen Schüler:innen und Lehrkräften als auch untereinander – fördern die emotionale Entwicklung, das Vertrauen und das Verantwortungsgefühl. Starke Beziehungen stehen in Verbindung mit besseren Lern- und Sozialkompetenzen. Schwache Beziehungen hingegen können zu Depressionen oder Schulvermeidung führen – sowohl bei Schüler:innen als auch bei Lehrkräften.

Stärkenorientierung hilft dabei, dass Kinder sich anerkannt fühlen. Wenn Lehrkräfte kooperative, respektvolle Beziehungen vorleben, übernehmen Schüler:innen diese Haltung häufig selbst. Ebenso stärkt eine aktive Einbindung der Eltern das Schulklima, die Anwesenheit und den Lernerfolg. Ein respektvoller Austausch zwischen Schule und Elternhaus schafft Kontinuität und verstärkt positive Verhaltensmuster.


Sicherheit gewährleisten

Kinder müssen sich in der Schule physisch und emotional sicher fühlen – besonders bei Beeinträchtigungen oder Behinderungen. Schon die bloße Anwesenheit von Gewalt kann zu Rückzug führen, selbst wenn das Kind nicht direkt betroffen ist.

Schulen sollten klare Regeln gegen Mobbing und störendes Verhalten – auch online – haben. Schüler:innen brauchen altersgerechte Strategien, wie sie als Opfer oder als Zeug:innen auf Mobbing reagieren können. Jüngere Kinder sollen wissen, an wen sie sich wenden können. Ältere brauchen Anleitung, wie sie helfen können, ohne selbst Ablehnung zu erfahren – etwa durch ignorieren, weggehen oder die Hilfe einer anderen Vertrauensperson holen.

Bedrohliches Verhalten muss sofort angesprochen werden. Das Schulpersonal soll ansprechbar sein, gut zuhören, Informationen sammeln und schnell reagieren können.


Partizipation fördern

Die besten Schulen schaffen ein positives Klima durch Gemeinschaft und geteilte Werte. Die Beteiligung von Schüler:innen steigt, wenn ihre Meinungen gefragt sind – z. B. bei Entscheidungen oder Regeln. Regeln, die gemeinsam entwickelt wurden, finden leichter Akzeptanz.

Zur Förderung der Beteiligung:
● Schüler:innen an Entscheidungsprozessen beteiligen (z. B. Klassensprecher:innen, Schulrat)
● Eltern regelmäßig über Fortschritte informieren, nicht nur über Schwierigkeiten
● Schüler:innenarbeiten im Schulhaus sichtbar machen und Beiträge würdigen (z. B. bei Projekten)


Selbstständigkeit fördern

Ein wichtiges Ziel von Schule ist es, Kinder zu selbstständigen Menschen zu machen. Wer eigenständig denkt, lernt nachhaltiger und entwickelt kritisches Denken. Der wichtigste Faktor für schulischen Erfolg ist die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung und Reflexion – also sich zu fragen: „Wie kann ich meine Arbeit verbessern?“

Konstruktives Feedback der Lehrkräfte hilft dabei, Verantwortung zu übernehmen und Kontrolle über das eigene Lernen zu gewinnen.

Zur Förderung der Selbstständigkeit:
● Altersgerechte Aufgaben mit Verantwortung im Schulalltag übertragen
● Strukturiert Feedback und Meinungsmöglichkeiten schaffen (z. B. Klassengespräche)


Früherkennung und Intervention

Frühes Erkennen und Handeln kann verhindern, dass sich psychische Probleme verschlimmern. Dabei ist es wichtig, die Risiken einer vorschnellen Etikettierung gegen die Vorteile einer frühen Unterstützung abzuwägen. Lehrkräfte sollen nicht diagnostizieren, aber aufmerksam beobachten, Unterstützung anbieten und bei Bedarf weitervermitteln.

Schulen sollten klare Leitlinien für Früherkennung und Maßnahmen haben – mit klar definierten Zuständigkeiten (z. B. Schulleitung, Beratungslehrkraft). Teamsitzungen, in denen regelmäßig über auffällige Schüler:innen gesprochen wird, können die Qualität der Unterstützung verbessern.


Unterstützung und Weiterbildung für das Personal

Die Arbeit mit Kindern, die psychische Belastungen zeigen, ist anspruchsvoll und belastend. Überforderung durch Arbeitslast und schwieriges Verhalten kann zu psychischen Problemen beim Lehrpersonal führen. Lehrkräfte, die erschöpft sind, können Schüler:innen nur schwer unterstützen.

Um dem entgegenzuwirken, braucht es Raum für offenen Austausch über Herausforderungen und Möglichkeiten zur gegenseitigen Unterstützung – z. B. durch kollegiale Beratung oder professionelle Supervision. Weiterbildungen im Umgang mit herausforderndem Verhalten helfen, schwierige Situationen souverän zu meistern.

Die Schule sollte ein Umfeld schaffen, das die persönliche und berufliche Entwicklung der Lehrkräfte stärkt – und ihre Freude am Beruf erhält. Gleichzeitig ist es wichtig zu erkennen, dass hinter problematischem Verhalten oft tiefere Ursachen liegen – etwa familiäre Gewalt oder andere Belastungen. Hier sind Empathie und Verständnis unerlässlich.